Anreize setzen, aber richtig
Die Tierproduktion soll in Zukunft mit weniger Antibiotika auskommen. Finanzielle Anreize könnten von grosser Bedeutung sein, um dieses Ziel zu erreichen. Welche Möglichkeiten und Grenzen davon konkret zu erwarten sind, zeigt ein Projekt der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon.
Porträt/Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Der Antibiotikaeinsatz in der Schweizer Tierproduktion ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Doch eine weitere Reduktion ist möglich, wie andere europäische Länder zeigen. Auch die Antibiotikastrategie des Bundes (StAR) verfolgt dieses Ziel. Dabei sollen neue Massnahmen auf möglichst breite Akzeptanz seitens der Tierproduzentinnen und -produzenten stossen. Hierbei könnten massgeschneiderte finanzielle Anreize wichtig sein, die den Rückgang des Antibiotikaeinsatzes fördern und gleichzeitig mögliche negative Folgewirkungen auf das Tierwohl vermeiden.
Entscheidungsprozesse bei Antibiotikaeinsatz untersucht
Stefan Mann und sein Team von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon haben deshalb untersucht, welche Massnahmen sich sinnvoll mit finanziellen Anreizen kombinieren lassen. Zunächst haben die Forschenden in einer schriftlichen Umfrage bei 2000 Landwirtinnen und Landwirten analysiert, unter welchen Umständen und wie diese Antibiotika gebrauchen. Nicht zuletzt interessierten sie sich für die konkreten Prozesse, wenn Landwirte und Veterinärinnen über die Gabe von Antibiotika zu entscheiden haben. Die Umfrage schloss Geflügel-, Rinder- und Schweineproduzenten ein.
In einem nächsten Schritt führten Mann und sein Team eine Reihe von Workshops und Einzelinterviews durch, an denen sich Landwirtinnen, Tierärzte, Vertretende von Bundesämtern und Branchenorganisationen beteiligten. Gemeinsam mit diesen entwickelten sie eine Reihe von Massnahmen zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes, welche die betriebliche Realität in der Tierproduktion berücksichtigen. Dazu zählten etwa eine Prämie für Produzenten, die besonders wenig Antibiotika einsetzen oder ein Beitrag für jene Produzentinnen, die konstant mit einem Bestandestierarzt zusammenarbeiten.
Anreize beeinflussen Akzeptanz von Massnahmen deutlich
Für jede der vorgeschlagenen Massnahmen definierten die Forschenden mehrere Abstufungen finanzieller Unterstützung. So konnten sie schliesslich in einer weiteren grossen Umfrage bei Landwirtinnen und Landwirten genau erheben, welche Massnahmen bei welchem Anreiz wie stark in Anspruch genommen würden. Es ergab sich je nach Programm eine Zustimmungsquote zwischen 20 % und 60 %. Auf die höchste Akzeptanz stösst eine Prämie für Betriebe mit geringem Antibiotikaeinsatz. Doch bei allen Massnahmen ist die Höhe des Anreizes entscheidend. So läge bei der Bestandesbetreuung die Teilnahmequote bei 23 %, wenn 20 % Prozent der Kosten übernommen würden und stiege auf über 40 %, wenn 80 % der Kosten übernommen würden.
Es zeigte sich aber auch, dass rund ein Viertel aller Landwirtinnen und Landwirte solche Programme gänzlich ablehnen. Sie fürchten zusätzlichen administrativen Aufwand und betonen ihre unternehmerische Selbstverantwortung und Autonomie.
Entscheidungsgrundlagen für künftige Programme
Die Forschenden um Stefan Mann haben aus ihren Resultaten schliesslich Empfehlungen abgeleitet und den Bundesämtern, welche StAR umsetzen, unterbreitet. Die genauen Kenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen finanzieller Anreize ist für diese eine hilfreiche Entscheidungsgrundlage. Sie soll dazu beitragen, den Antibiotikaeinsatz in der Tierproduktion in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Landwirtinnen und Landwirten weiter zu senken.
Stand: September 2021
Originaltitel
Potentials of incentive-based instruments to an animal-friendly reduction of antibiotics usage.