Abgeschlossenes Projekt: Antibiotika mit neuem Wirkmechanismus
Ein neu entdeckter Angriffspunkt für Antibiotika könnte helfen, zahlreiche Resistenzen zu überwinden. Forschende haben den erstaunlichen Mechanismus dahinter enträtselt und so den Weg für die Entwicklung von Medikamenten geebnet.
Die gefährlichsten antibiotikaresistenten Bakterien weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie verfügen über eine doppelte Membran, die schwer zu durchdringen ist. Und selbst wenn antibiotische Wirkstoffe diese Hülle knacken, werden sie von den Bakterien meist gleich wieder hinausgepumpt. Deshalb könnten neue Antibiotika besonders effektiv sein, die Erreger abtöten, ohne in sie einzudringen. Genau dies gelingt der in Entwicklung befindlichen synthetischen OMPTA-Substanzklasse ebenso wie dem kürzlich in der Natur entdeckten Wirkstoff Darobactin. Beide nutzen bei Bakterien denselben Angriffspunkt, nämlich ein Protein auf der äusseren Membran namens BamA. Ohne BamA können die Bakterien ihre äussere Hülle nicht erneurn und sterben ab.
Bakterien können keine äussere Hülle mehr bilden
Forschende des Biozentrums Basel um Sebastian Hiller konnten in einem NFP 72-Projekt im Detail den Wirkmechanismus aufklären, mit dem die OMPTA-Antibiotika und Darobactin die Funktion von BamA stören. Sie zeigten, dass diese Substanzen eine besondere dreidimensionale Struktur imitieren, die sonst nur diejenigen Proteine besitzen, welche von Bakterien als Bausteine für ihre äussere Membran selbst produziert werden. Die besagte Struktur ist der Schlüssel, um die Proteine an bestimmten Orten von innen her in die äussere Hülle einzupassen. Sowohl OMPTA-Antibiotika wie Darobactin bilden eine Kopie dieses Schlüssels. Damit blockieren sie quasi das Schlüsselloch von aussen. So, als würde man eine Tür abschliessen und dann den Schlüssel abbrechen. Die Folge: Den Bakterien ist der Transportweg für ihre Hüllenbausteine versperrt und sie sterben.
Verwandte Mechanismen sind in der Mikrobiologie bereits bekannt und werden durch andere Medikamente verwendet. Die dabei anvisierten Bindestrukturen sind in der Regel recht gross – zumindest für mikrobiologische Verhältnisse. Im Gegensatz dazu ist das von OMPTA-Antibiotika und Darobactin genutzte Ziel sehr klein und mit üblichen Methoden gar nicht erkennbar. Dies, obwohl die Stoffe selbst grösser sind als die meisten Wirkstoffe und nicht einmal durch die Eintrittspforten der Bakterien passen würden.
Kaum Entwicklung von Resistenzen
Doch ihr Angriffspunkt auf der äusseren Hülle ist eine wahre Achillesferse der Erreger, wie Hiller und sein Team nun zeigen konnten. OMPTA-Antibiotika und Darobactin binden direkt an die wichtigsten, sogenannten «Rückgrat»-Atome von BamA. Weil diese Atome das Protein zusammenhalten und seine Form vorgeben, können sie kaum verändert werden – doch genau dies wäre für Bakterien der einfachste Weg, um auch diese neuen Substanzen in absehbarer Zeit abzuwehren. Doch Darobactin behielt seine Wirksamkeit gegen alle Erreger, für die Hiller und sein Team Labortests durchführten, mit denen man Resistenzen künstlich erzeugen kann. Wiederum im übertragenen Sinn gesagt: Es gelang den Erregern nicht, das «geknackte» Schloss auszuwechseln. Da die OMPTA-Antibiotika denselben Mechanismus nutzen, dürften es Erregern ebenfalls sehr schwierig werden, Resistenzen dagegen zu entwickeln.
Die nun gewonnen Erkenntnisse sind ein entscheidender Schritt für eine mögliche Anwendung in der Medizin. Sie ermöglichen es, die OMPTA-Antibiotika und Darobactin gezielt zu verbessern und zu wirksamen Medikament zu entwickeln. Zudem könnten sie die Grundlage für weitere neuartige Wirkstoffe gegen die gefährlichsten antibiotikaresistenten Bakterien bilden.
Stand: August 2022