Abgeschlossenes Projekt: Resistenzen aus Kläranlagen in Schweizer Bächen und Flüssen
Forschende zeigen auf, wie sich Antibiotikaresistenzen aus Abwasserreinigungsanlagen in Gewässern verbreiten – und wie sich die Situation verbessern liesse.
Mit Fäkalien gelangen grosse Mengen an antibiotikaresistenten Bakterien ins Abwasser. Zwar entfernen normale Abwasserreinigungsanlagen den weitaus grössten Teil davon wieder, dennoch ist gereinigtes Abwasser gegenüber natürlichen Gewässern immer noch weit stärker belastet, sowohl mit resistenten Bakterien wie mit einzelnen Resistenzgenen. Was mit diesen bei der Einleitung des gereinigten Wassers in Flüsse geschieht, ist bisher kaum bekannt. Forschende der Eawag haben deshalb untersucht, wie sich Resistenzen aus Abwasserreinigungsanlagen nach dem Einleiten in Fliessgewässer verbreiten.
Hohe Resistenzkonzentrationen werden schnell verdünnt, doch es gibt Ausnahmen
Mittels genetischer Analysen hat das Team um Helmut Bürgmann zunächst verschiedene Lebensräume des Flussökosystems sowohl stromaufwärts wie stromabwärts von Abwasserreinigungsanlagen analysiert und verglichen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Einleitung von gereinigtem Abwasser nicht nur die Antibiotikaresistenzbelastung des Flusswassers erhöht, sondern dass sich resistente Organismen und Resistenzgene aus dem Abwasser unter anderem auch in Sedimenten, auf Biofilmen auf Steinen und im Darm von Süsswasserkrebsen wiederfinden.
Um die allgemeinen Folgen für das Gewässersystem abzuschätzen, entnahmen die Forschenden flussabwärts in unterschiedlichen Abständen umfangreiche Proben. Diese ergaben, dass die Reichweite der Belastung begrenzt ist. Während sie unmittelbar nach den Abwassereinleitungen am stärksten ist, reduziert sie sich über eine Entfernung von wenigen Kilometern bereits deutlich. Die Gründe dafür sind in erster Linie Verdünnungs- und in zweiter Linie Abbauprozesse. Allerdings fanden die Forschenden auch Ausnahmen: In einem Fluss stellten sie weit flussabwärts zeitweise zunehmende Konzentrationen von Resistenzgenen fest. Das weist darauf hin, dass sich antibiotikaresistente Organismen und Resistenzgene unter bestimmten Bedingungen in Flusssystemen anreichern und vermehren.
Besonders hohe Belastung bei Starkregen
Trotz einer hervorragenden sanitären Infrastruktur sind in der Schweiz die Kapazitäten der Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen immer wieder überlastet, nämlich wenn starke Regenfälle zu sehr grossen Abwassermengen führen. Ein Gemisch aus überschüssigem Regenwasser und unbehandeltem Abwasser wird dann unter Umgehung herkömmlicher Klärverfahren aus Entlastungsbecken - und Mischwasserüberläufen in Flüsse eingeleitet. Auch während solcher Starkregenereignisse haben Helmut Bürgmann und sein Team Flusswasserproben entnommen und analysiert. Sie konnten zeigen, dass Regenwasserentlastungs- und Kanalisationsüberläufe zu einem schnellen und starken Anstieg an antibiotikaresistenten Organismen und Resistenzgenen in aufnehmenden Flüssen führen. Die hohen Werte klingen jeweils nach mehreren Stunden wieder ab.
Die Forschenden schätzen, dass solche Extremereignisse über den Jahresverlauf betrachtet rund die Hälfte des gesamten Eintrags von Antibiotikaresistenzen in Flüssen ausmachen, obwohl auf diese Weise nur rund 3 % des kommunalen Abwassers ungereinigt in Flüsse geleitet wird. Die Eawag-Forschende schlagen deshalb vor, die Rückhaltekapazität von Kläranlagen und Rückhaltebecken zu erhöhen. Ebenso sollten Regen- und Abwasser besser getrennt werden, und eine bessere Versickerung in den Einzugsgebieten der Abwasserreinigungsanlagen könnte die Wassermenge verringern, die bei Starkregen in die Kanalisation gelangt.
Prognosemodelle tragen zur Sicherheit bei und ermöglichen Gegenmassnahmen
Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse erstellen die Forschenden nun Prognosemodelle für die Resistenzbelastung im Schweizer Flussnetz. Diese sollen Vorhersagen dazu ermöglichen, wo genau erhöhte Mengen von Antibiotikaresistenzgenen in den Gewässern auftreten. Mit solchen Modellen lassen sich auch Szenarien für die Zukunft untersuchen. Da mit dem sich verändernden Klima längere Trockenperioden mit entsprechend weniger verdünntem Abwasser ebenso wie mehr Starkregenereignisse mit häufigeren und grösseren Überläufen der Kanalisation erwartet werden, anderseits jedoch in Zukunft viele Kläranlagen dank einer Ozonungsanlage generell weniger resistente Bakterien freisetzen werden, dürften solche Informationen an Bedeutung gewinnen. Sie können zur sicheren Nutzung von Flüssen beitragen – für Badende, zur Bewässerung und für andere Zwecke – und liefern die Grundlagen für Massnahmen gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Umwelt.