Verständnis von Antibiotikatoleranz als Basis für Diagnostik

In der Lunge von Patienten mit zystischer Fibrose können Keime zu chronischen Entzündungen führen.

Manche Bakterien fallen in eine Art Tiefschlaf, der sie vor Antibiotika schützt. Neues Wissen kann helfen, dieses Phänomen in der Klinik zu überwachen.

  • ​​​Porträt/Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)

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    Therapieversagen, obwohl Erreger nicht resistent sind ​

    Antibiotikaresistente Keime haben sich genetisch so verändert, dass ihnen bestimmte Wirkstoffe nichts mehr anhaben. Doch es gibt noch einen anderen Weg, wie Bakterien einer Behandlung trotzen: Sie verfallen vorübergehend in eine Art Tiefschlaf, in dem keine aktive Zellvermehrung mehr stattfindet. Doch weil Antibiotika in der Regel genau diese stören, laufen sie nun ins Leere. Die betreffenden Bakterien überleben. Sie sind zwar nicht antibiotikaresistent, aber antibiotikatolerant – und können chronische und schwer therapierbare Infektionsverläufe verursachen.

    Während bei resistenten Erregern alle gleichermassen gegen bestimmte Antibiotika immun sind, verfällt bei toleranten Bakterien meist nur ein kleiner Teil der Population in Tiefschlaf. Die anderen sterben bei einer Medikamentengabe. Doch die wenigen robusten Schläfer mit besonders ausgeprägter Toleranz, sogenannte Persisters, sind für die Klinik bedeutsam. Bisher gibt es jedoch keine therapeutischen Interventionen gegen Antibiotikatoleranz und -persistenz, weil die genauen Mechanismen dahinter wenig bekannt sind. Dem Team um Urs Jenal ist es nun gelungen, diese am konkreten Beispiel des Erregers Pseudomonas aeruginosa und dessen Rolle bei Zystischer Fibrose aufzuklären.

    Evolution von Antibiotikatoleranz Schritt für Schritt beobachtet​

    Zu diesem Zweck untersuchten die Forschenden zunächst bei Laborstämmen von Pseudomonas aeruginosa, wie sich Antibiotikatoleranz entwickelt, wenn Erreger wiederholt Antibiotika ausgesetzt werden, ähnlich wie dies auch in Patienten mit chronischen Infektionsverläufen der Fall ist. Dadurch liessen sich genetische, molekulare und zelluläre Charakteristika jener Stämme analysieren, bei welchen sich durch die therapeutischen Eingriffe graduell eine ausgeprägte Toleranz entwickelte.

    Die mit Laborstämmen durchgeführten Experimente ermöglichten es auch, genaue Modelle über die Entwicklungswege von Toleranz, Persistenz und Resistenz zu definieren. Diese überprüften und verfeinerten Urs Jenal und Kollegen anschliessend anhand klinischer Isolate aus Patienten des Universitätspitals Basel.

    Grundlage für klinische Diagnostik

    Die Studie liefert Hinweise darauf, dass sich während der Behandlung von chronischen Lungeninfektionen in Patienten mit Zystischer Fibrose Antibiotikatoleranzen früh ausbreiten und zu einem chronischen Verlauf der Krankheit beitragen. Zudem konnten die Forschenden nachweisen, dass Antibiotikatoleranz in Pseudomonas aeruginosa -Bakterien bei wiederholter Antibiotikaeinwirkung rasch ansteigt und ihrerseits wiederum der Entwicklung von Resistenzen vorausgeht und diese begünstigt.​

    Das erlangte Wissen um gemeinsame charakterisierende Eigenschaften von antibiotikatoleranten Keimen ermöglicht es in einem nächsten Schritt, diese gezielt aufzuspüren. Die Studie liefert somit erstmals eine Grundlage für diagnostische Verfahren, die tolerante Pseudomonas aeruginosa -Bakterien in Patienten nachweisen. Dies wiederum ist eine Voraussetzung, um Patienten schneller und gezielter behandeln zu können.

  • Originaltitel

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    Tolerance as a potential reservoir for the development of antibiotic resistance