Abgeschlossenes Projekt: Antibiotika – Profit und nachhaltige Nutzung in Einklang bringen

Ein Anreizsystem soll Unternehmen zur Entwicklung von Antibiotika motivieren, die besonders dringend benötigt werden und gegenüber Resistenzen möglichst robust sind. Ein Forschungsteam an der Universität Genf hat untersucht, wie ein solches System aussehen könnte.

In den letzten Jahrzehnten sind nur wenige neue Antibiotika auf den Markt gekommen, obwohl ein dringender Bedarf besteht. Gründe dafür sind die tiefen Preise und einschränkenden Richtlinien für neue Präparate, die als Reserve für Fälle zurückbehalten werden, bei denen bewährte Präparate nicht anschlagen. Für grosse Pharmaunternehmen sind Antibiotika deshalb wirtschaftlich wenig interessant. Viele Staaten weltweit möchten nun mit finanziellen Anreizen dafür sorgen, dass schneller neue Antibiotika zur Verfügung stehen. Damit dieses Ziel erreicht wird, braucht es jedoch intelligente Kriterien für die Vergabe von Belohnungen. Diese müssen sicherstellen, dass nur Präparate gefördert werden, für die wirklich ein Bedarf besteht, dass diese nicht exzessiv beworben werden und dass sie nur eingesetzt werden, wenn es nötig ist.

Belohnung für langfristige Wirksamkeit

Zur Lösung dieses Dilemmas schlagen Chantal Morel und Stephan Harbarth von der Universität Genf in Zusammenarbeit mit schwedischen und kanadischen Forschenden im Rahmen eines internationalen Projekts folgende Lösung vor: Für marktreife neue Antibiotika sollte eine finanzielle Belohnung angeboten werden, und zwar mit etappenweisen Bonuszahlungen, wenn das Produkt über lange Zeit wirksam bleibt. Dieser Ansatz hätte den grossen Vorteil, dass die Rentabilität eines neuen Antibiotikums (zumindest teilweise) von der verkauften Menge entkoppelt würde. Daraus ergeben sich zwei Vorteile: Erstens erhielten die Unternehmen einen Anreiz, den Verkauf von Antibiotika weniger offensiv zu bewerben, weil ein übermässiger Einsatz nicht in ihrem Interesse wäre. Zweitens wäre es für sie attraktiver, bereits in frühen Entwicklungsstadien stärker auf echte Innovation zu setzen, indem sie Wirkstoffkandidaten bevorzugen, die langfristigere Wirksamkeit versprechen.

Die Forschenden untersuchten detailliert, wie ein solcher Bonus funktionieren könnte. Ausgehend von einer Gesamtzahlung von 1,6 Mrd. US-Dollar für den Markteintritt eines Antibiotikums – dieser Betrag wird aufgrund früherer Studien international als angemessen angesehen – untersuchten sie zunächst anhand von Interviews mit Fachpersonen das richtige Timing. Das Hauptziel bestand darin, einen Zeitrahmen zu wählen, der für die Branche relevant ist, da diese eine fundierte Entscheidung darüber treffen müssen, ob sie den Bonus anstreben oder das traditionelle, auf Umsatzmaximierung ausgerichtete Geschäftsmodell beibehalten. Morel und Harbarth kamen zum Schluss, dass beim idealen Modell die Unternehmen zum Zeitpunkt der Marktzulassung einen festen Betrag von 1 Milliarde Dollar und weitere Zahlungen nach 5, 10, 15 und 20 Jahren erhalten würden, falls das Produkt noch wirksam ist.

Messung der Wirksamkeit als Herausforderung

Die längerfristige Wirksamkeit eines Arzneimittels bildet somit das Kernstück des vorgeschlagenen Mechanismus. Es wird im Allgemeinen definiert durch die Menge an Wirkstoff, die zur Hemmung der krankheitserregenden Bakterien erforderlich ist. Derzeit werden solche Daten nicht routinemässig für neue Antibiotika erhoben. Die Überwachung von Antibiotikaresistenzen konzentrierte sich bisher auf wenige Infektionen und Krankheitserreger und eine begrenzte Zahl älterer Antibiotika. Zudem wurde sie hauptsächlich in wohlhabenderen Ländern durchgeführt.

Die Forschenden haben deshalb international Fachpersonen und Entscheidungsgremien konsultiert, damit sie klare Empfehlungen für Design, Umsetzung und Finanzierung eines Systems mit geeigneten Kontrollmechanismen geben können. Derzeit werden zahlreiche neue, genauere Kontrollmechanismen entwickelt, weshalb es als realistisch gilt, dass ein solches System funktionieren könnte. Idealerweise würde es im Rahmen bestehender internationaler Monitoring-Systeme umgesetzt, beispielsweise im europäischen Netzwerk EARS. Wie auf vielen Gebieten wird es zentral sein, die Schlüsselakteure einzubeziehen. In diesem Projekt war dies der Fall, weshalb die Studie auch bereits in Gremien mit Entscheidungskompetenzen diskutiert wird.

Stand: Februar 2022